Seraphim Falls
Genre: Western, Drama
FSK: ab 16 Jahre
Laufzeit: 114 Minuten
Regie: David von Ancken
Drehbuch: David von Ancken, Abby Everett Jaques
Darsteller: Liam Neeson, Pierce Brosnan, Anjelica Huston, Michael Wincott, Robert Baker, Ed Lauter, John Robinson
Produktion: USA 2006
Produktionsfirmen: Icon Productions
Produzent: Stan Wlodkowski
Anfangs ein packender Western, der zum Ende hin in trivialen Surrealismus abdriftet …
Ein einsamer Mann in den verschneiten Bergen, ein Schuss, der Mann wird am Arm getroffen und eine Verfolgungsjagd von Norden nach Süden durch die USA beginnt. Der Mann heißt Gideon (Pierce Brosnan), diente im Bürgerkrieg für die Nordstaaten und ist ein harter Hund.
Angeschossen wurde er von Carver (Liam Neeson) und seinen Männern. Auch Carver diente im Krieg, allerdings für die Südstaaten und hat deswegen mit Gideon eine Rechnung offen. Doch die Beute verkauft ihren Pelz verdammt teuer – so teuer, wie Carver Rücksichtslosigkeit einsetzt. Und von nun an dezimiert sich der Jagdtrupp und am Ende kommt es zum großen Endkampf inmitten der Wüste …
„Seraphim Falls“ beginnt als Western mit wunderbar fotografierten Bildern, klassischen Westernelementen und knalliger Action. Die Jagd dominiert vom ersten Augenblick an den Film, packt den Zuschauer und lässt ihn kaum noch los. Da sind kleinere Logikfehler zu verschmerzen, die symptomatisch für den ganzen Film sind und sich ab Beginn öfters mal einschleichen.
So kümmert es Regisseur David von Ancken wenig, ob nun Kugel oder Schall zuerst eintreffen oder ob in einem eiskalten Wildbach die Überlebenschance gegen Null tendiert oder warum die berittenen Jäger langsamer als ein angeschossener Fußgänger sind oder warum dieser die Gäule herantraben hört und noch genug Zeit hat, falsche Fährten zu legen oder, oder, oder – doch o Wunder, die Handlung reißt es stets wieder raus.
Und so folgen die Zuschauer an Carvers Seite Gideon und fiebern mit diesem wiederum mit, wenn er mit Tricks seinen Häschern im letzten Augenblick entkommt oder einen bösen Buben eiskalt erledigt. Und während der lange Jagd werden all die schönen Dinge eingebaut, die einen Western so spannend machen.
Da wird eine Eisenbahn gebaut, kommen Bankräuber vor, ist ein toter Bär zu sehen und vieles mehr. Dabei geht es zwar blutig, aber sehr züchtig zur Sache. Da wird die Hüfte ein bisschen am Arsch der Farmerstochter gerieben, aber die Hose bleibt oben. Selbst der Ausschnitt wird züchtig verdeckt – allerdings sieht man gut das Herausdrücken einer Kugel aus der blubbernden Wunde oder wie eine Messerklinge aus dem klaffenden Hals eines Toten gezogen wird. Nun, us-amerikanische Verhältnisse eben. Irgendwie klingt der Western nach Müll, oder? Schon, aber er ist auch gleichzeitig ein Drama.
Der wahre Motor, der „Seraphim Falls“ am laufen hält, ist der Konflikt zwischen Gideon und Carver, der Dialog zwischen Brosnan und Neeson. Beide Männer zeigen hier ihre Stärke als Charakterschauspieler, spendieren ihren Figuren immer wieder neue und überraschende Nuancen. So überlebt Gideon Schuss, Wildbachfahrt und Selbstoperation, doch er heult dabei Rotz und Wasser, schnauft angeschlagen und man wartet nur darauf, dass der Gejagte tot umfällt. Doch er bleibt am leben, wird immer wieder eingeholt und entkommt im letzten Augenblick. Dank dem überzeugenden Spiel von Neeson und Brosnan wirkt das übrigens natürlich, statt aufgesetzt.
Die Emotionen, das Feuer, der Hass und die Verzweiflung sind fast sichtbar. Es sprüht zwischen den beiden Männern ein richtiger Funkenregen, während die Geschichte langsam und unaufhaltsam auf den Höhepunkt zujagt. So müssen Western sein, das ist spannend, das packt, das reißt mit.
Brosnan gibt dabei den pragmatischen Helden der Nordstaaten, der im Krieg seine Pflicht erfüllte und eines Fehlers wegen Schuld auf sich lud, für die er nun mit seinen Träumen zahlt – so wie auch Carver, hervorragend gespielt von Neeson. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch. Gekonnt deutet von Ancken den Grund für den tödlichen Konflikt an, um dann rechtzeitig den Fokus auf die Gegenwart, die Jagd zu lenken. Doch die gemeinsame, traumatische Vergangenheit der beiden Feinde ist klar, wird gekonnt in einer gemeinsamen Traumszene aufgezeigt.
So packend der Film auch überwiegend ist, so lahm wird er am Ende und sollte wie ein kranker Gaul erschossen werden – normalerweise macht man das im Western ja. Der Niedergang von Handlung und Charakterspiel tritt ein, als Gideon in schönster Rambomanier Carver überraschend stellt. Danach gibt es einen weisen Indianer am Wasserloch, und erscheint eine mirakelhafte Händlerin (Anjelica Huston) mit ihrem Wagen in der Wüste – lautlos und wissend, was die harten Jungs brauchen. Bullshit!
Aber auch die Auflösung des Konflikts ist Müll, nimmt dem Film, nein, dem grandiosen Charakterspiel seine ganze Substanz. Was hat sich von Ancken bloß dabei gedacht? Anstatt knallhart zum Finale zu kommen – wie es sich für einen richtigen Western gehört – knallt „Seraphim Falls“ auf das Niveau einer Teeparty hinunter. Und das schmerzt!
Ein absolut endgültiges Urteil zu fällen, ist bei diesem dramatischen Western schwer, doch nüchtern betrachtet und nach Punkten gerechnet, geht „Seraphim Falls“ technisch K.O.. Der Film taugt für Zwischendurch, ist kurzweilig und vor allem die ersten 90 Minuten mach Spaß, aber für eine wirkliche Empfehlung des Streifens ist das einfach zu wenig. Schade, hier hat David von Ancken vor dem Showdown einfach seine Munition verschossen.
(Günther Lietz)
Der Film beginnt mit äußerster Spannung in verschneiter Winterlandschaft. Carver (Liam Neeson) und seine vier gedungenen Schergen jagen Gideon (Pierce Brosnan). Warum sie hinter ihm her sind, erfahren wir erst ganz am Schluss: eine Feindschaft, die wohl aus dem amerikanischen Bürgerkrieg herrührte. Aus Versehen kommen Gideons Frau und Kind um. Ein Kollateralschaden des Krieges. Gideon ist seinem Widersacher immer ganz dicht auf den Fersen. Seinen Schergen ergeht es allerdings wie den Zehn kleinen Negerlein. Nie hat Pierce so heldenhaft gelitten wie hier. Nach einem Sturz in einen Gebirgsbach operiert er sich am Lagerfeuer eine Kugel aus dem Oberarm. Da friert man und leidet mit.
Gideon und Carver treffen allerlei fahrendes Volk bei ihrer Treibjagd: Bankräuber, religiöse Fundis gleich zweimal, bis sie sich in der Wüste Auge in Auge mit einem Colt und einer Patrone gegenüberstehen.
Zuvor hatte Regisseur von Ancken, der hier sein Filmdebut gibt, noch einen Epilog dranghängt, der zum bisher Gesehenen wie der Hering zur Sahnetorte: ein philosophierender Indianer (Wes Studi), der ein Wasserloch bewacht, tauscht mit beiden Kontrahenten Naturalien. Kurze Zeit später taucht Madame Louise (Angelica Houston) quasi als Marketenderin auf und versucht auch mit beiden ins Geschäft zu kommen. Woher sie kam und wohin sie verschwand ist von Anckens Geheimnis. Ebenso wie der Schluss. Aber was will man machen, wenn man zwei Superstars in einen Film unterbringt. Da kann keiner der Unterlegene sein. Also wanken die Helden völlig entkräftet – jeder für sich allein – in eine andere Richtung…Schluss – Aus- die Maus! Was für ein Absturz nach so einem tollen Anfang!
Bleibt nur noch die Frage Was hat der Titel mit dem Film zu tun?